Das Wunder der Elektrizität,9.6.2023
- ulibrosch
- 10. Juni 2023
- 4 Min. Lesezeit

Gestern bin ich nach dem Tauchen nach Hause gekommen und hatte Hunger. Also fix eine Scheibe Toastbrot in den Toaster gesteckt und…nix ! Der Hebel zum Niederschieben der Brotscheibe versagte trotz mehrfachem z.T. gewalttätigen Versuches. Herr jeh, bin ich zu blöd eine Scheibe Toastbrot in eben eine solche zu verwandeln? Zum Glück nicht ! Es lag nicht an mir, kein Strom im Appartement. Da wird eine Sicherung rausgesprungen sein, dachte ich noch und lief runter zu meinem Vermieter, der gar nicht da war, sondern einer seiner netten Jungs, der jedoch des Englischen nicht wirklich mächtig war. Mit Händen und Füßen und in gebrochenem Spanisch erklärte er mir dann, dass es nicht an einem defecto local lag, sondern „electricidad totalemente muerte isla Curacao“. Aha, Stromausfall auf der gesamten Insel also, konnte ich dank meiner rudimentären Latein- und Spanischkenntnisse verstehen. Ich dachte in meiner nicht mehr ganz so jugendlichen Naivität noch, daß dies sicher nur ein Problem von wenigen Stunden sein sollte. Ich sollte mich gewaltig irren.
Zunächst ging ich erst mal das Meersalz abduschen, denn Wasser gab es ja glücklicherweise. Dies veranlaßte mich zu der Überlegung, was wohl schlimmer sei, kein Wasser oder kein Strom. So etwa wie Bauch- oder Kopfschmerzen?, blind oder stumm ? Pest oder Cholera ?, Läuse oder Flöhe….
Ich bin dann für mich zu dem Schluß gekommen, daß Wasser wichtiger ist. Abgesehen vom Duschen und Trinken musste ich zunächst an die Toilettenspülung denken und meine Erfahrungen mit einer Hacke und dem mühsam im steinharten Boden gegrabenen Loch im Garten bei Ausfall der Wasserpumpe auf Sansibar. Die Details erspare ich hier mal lieber.
Wasser hatte ich offenbar im Überfluss. Ich hab mich in dem guten Glauben der Strom sei sicher bald wieder da, erst mal mit meinem Buch in die Hängematte gelegt, da die windige Terrasse der einzige Ort in der Hitze war, der überhaupt erträglich war. Aber auch nach Stunden war der Strom nicht zurück und mein Hunger um so schlimmer. Es ist ja nun nicht so, dass ich an ungenügender Reserve-Biomasse leide, die im Ernstfall sicher ein Überleben ohne Nahrung für mindestens mehrere Tage, wenn nicht Wochen ermöglichen würde, aber mein Magen schickte bereits unschöne Töne nach außen, welche signalisierten, er möge bitte umgehend beschäftigt werden.
Daher entschied ich mich für lapprigen ungetoasteten Toast mit Humus, einer Scheibe Salami und BBQ Soße.
Das WIFI in meinem Apartment funktionierte auch nicht, komischerweise aber meine lokale SIM Karte im Telefon und so googelte ich nach Informationen oder Lokalnachrichten. Bis auf dass es 2019 eine Stromausfall der gesamten Insel über mehr als 50 Stunden gab, fand ich nichts.
Folgend habe ich, wie der arme Robert Scott bei seiner tödlich geendeten Südpolexpedition, angefangen meine Vorräte zu inspizieren, zu zählen und zu überlegen, wie ich am Schlauesten die wenigen Lebensmittel in meinem nun dunklen Kühlschrank am Besten vor dem Verrotten bewahre und entschied mich, diese allesamt in das Tiefkühlfach zu legen, da es dort vermutlich am längsten kühl bleiben würde (das Problem der Kühlung hatte Scott natürlich nicht!).
Nachdem mein Magen mundtot gemacht war, war es Zeit für ein Nickerchen, in der guten Hoffnung, wenn ich aufwache, sei alles wie vorher. Leider nein.
Es begann langsam zu dämmern. Jetzt musste ein anderer Schlachtplan her. Mein Handy war auch nicht voll aufgeladen, also beschloß ich herauszufinden, ob es vielleicht doch im nächst größeren Ort Strom gibt (und ich vielleicht eine Tüte mitnehmen kann). Gleichzeitig könnte ich von Benzinlingen umgewandelte Strömlinge zum Füttern meines Telefons nutzen. Der nächst größere Ort, der diesen Namen überhaupt verdient, ist Barber, 20 Minuten Autofahrt entfernt. Hier gibt es eine Tankstelle und einen Geldautomaten. Schon auf dem Weg dorthin schwante mit Böses. Nirgendwo auf dem Weg brannte Licht und Barber war wie eine Geisterstadt, dunkel, niemand auf der Straße, selbst die vollvergitterten „Likker-Stores“ waren dunkel (obwohl Alkohol ja eigentlich immer geht).
Also bin ich wieder zurückgefahren, das Autolicht funktionierte ja und der Tank war nahezu voll. Mein Dorf war in tiefe Schwärze gehüllt. Total gruselig. Als ich dann wieder in meiner Appartement - Höhle angekommen war, war zumindest mein Telefon fast vollständig aufgeladen.
Glücklicherweise hatte ich gleich am ersten Abend im California Supermarkt so eine Citronella Mückenkerze gekauft, da ich nicht wusste, wie die örtlich allabendliche Insektenlage auf der Insel ist. Da ich ja nicht mehr rauche und damit auch keine Feuerzeuge mehr mit mir rumtrage, war die nächste Frage, wie ich diese Kerze zum Zwecke der Erleuchtung überhaupt anbekomme. Mac Gyver hätte es gewußt- so schwer kann das ja sicher nicht sein. Ein Gasherd ! Jawohl, dieser stand, bisher unbenutzt, in meiner Küche. Irgendwo müssen doch mindestens Streichhölzer rumliegen, dachte ich und durchsuchte mit dem Licht des Handys alle Küchenmöbel und fand schließlich so einen Funken produzierenden Anzünder. Mit diesem bekommt man sicher keine Kerze zum Brennen, den Gasherd aber schon und mit dessen Flamme dann auch die Kerze. Jawohl, siehe da, es wurde Licht, wenn auch nur ein sehr kleines nach Citronella riechendes. Ich war glücklich.
Es war unendlich heiß in meinem Schlafzimmer. Dachgeschoß halt- den Luxus muss man dann schon aushalten können. Ich konnte es nicht ohne Klimaanlage. Trotz öffnen der Terrassentür und des Küchenfensters für entsprechenden Durchzug war es brütend heiß. Ich zog auf die Terrasse und in die Hängematte um und dank eines reisefreundlichen, elektronischen und glücklicherweise auch gut aufgeladenen Lesegerätes war die Abendunterhaltung gesichert (der arme Herr Gutenberg ist in seinem Grab sicher gekreiselt).
Na, ja nicht so ganz, denn ob der Abwesenheit des Lichtes arbeiten leider die anderen humanuiden Sinnesorgane auf Hochtouren. Dies betraf hauptsächlich meinen Gehörsinn, der eh schon überdurchschnittlich ausgeprägt ist, denn jeder der mich gut kennt, weiß, dass ich mit Lärm nicht gut umgehen kann.
Ich würde nun nicht wirklich behaupten, dass Insekten und Vögel (und an andere Lebewesen mochte ich gar nicht denken) echten Lärm verursachen können, aber so war es. Ich hörte ob der Schwärze der Nacht die Käfer ihre Fühler aneinander reiben.
Ich war so müde in meiner Hängematte und ich bin Bauchschläfer !… unmöglich für mich so zu schlafen und das Wort „Hängebauchschwein“ kreiselte ununterbrochen bildlich und körperlich nicht nur durch meinen Kopf. Irgendwann fiel ich in eine Art Halbschlaf, immer bedacht, nicht aus meinem Hängematten-Kokon heraus zu rollen. Gen Morgen, als es sich langsam abkühlte, bin ich in mein Bett gekrochen und dann auch irgendwann eingeschlafen. Bei gleißendem Licht erwachte ich. Dies nicht etwa, weil es bereits Tag war, sondern der Strom zurück und ich alle Lichtschalter angemacht hatte (damit ich die Rückkehr der Elektrizität auch ja nicht verpasse).
Heute muss ich mich nach diesem Abenteuer erst mal ausruhen und werde dann weiter berichten.
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