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Reisegarderobe, weltweit 02.06.2023

  • Autorenbild: ulibrosch
    ulibrosch
  • 4. Juni 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Wenn man allein reist hat man viel Zeit und oft verbringt man diese mit warten. Warten auf den Flieger, auf den Bus, auf das Essen, den Transfer, das Boot....Ich persönlich finde das nicht schlimm (was nicht für alle Warte- Kontexte gilt-- ist das der Plural von Kontext?, oder Konti???, lieber Gott schmeiß ein bisschen Grammatik herunter, ich bin meiner eigenen Sprache nicht mächtig, will aber was schreiben!).

Da ich ja nun deutsch bin, wir zu Pünktlichkeit neigen und ich von Oma Hoppe immer eingetrichtert bekam "5 Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit !", bin ich immer zu früh irgendwo, was meine Wartezeit natürlich verlängert und mir Gelegenheit gibt, meinen Gedanken nachzuhängen. Zum Beispiel, was Menschen so anziehen auf Reisen. Es macht mir höllisch Spaß anhand der Kleidung zu erraten, woher die Mitreisenden um mich herum kommen.


Da gibt es die Übereifrigen, meist mit hohem sozio-ökonomischem Status (so heißt das heute wohl, früher hätte man einfach gesagt, die haben Kohle und/oder studiert- was es auch nicht besser macht). Diese Exemplare reisen oft im Partnerlook, Männlein und Weiblein in haargenau dem selben Outfit- also eineiige Pärchen- Reise -Zwillinge. Die Kleidung ist immer Markenware ausgesuchter Outdoorhersteller und an allen erdenklichen Stellen gut sichtbar mit deren hochpreisigen Labeln versehen- seht her, ich bin ein Outdoorprofi. Das Schuhwerk besteht in warmen Ländern zu 95% aus Trekkingsandalen mit Ethnomuster. Schon das Wort finde ich absurd, wer geht bitte schön mit Sandalen trekken- doch wohl eher leichtes Wandern. Sicher bin ich diesbezüglich nicht der Mega Experte, da Betätigung in, an oder auf Bergen nicht zu meinen bevorzugten Reisebetätigungen zählt. Dennoch durfte ich mindestens die Hälfte meiner Kindheitsurlaube im Geburtsgebirge meines Vaters, dem tschechischen Krokonošz, auf irgendwelchen Bergen und Pässen verbringen. Niemals haben wir da Sandalen tragen dürfen! Auch nicht als Teenager, wenn klobige, grau-braune knöchelhohe Lederschuhe mit Extremprofil als so was von uncool galten, dass ich mich regelmäßig geschämt habe, wenn ich mit meiner Schwester nach einer solchen Tageswanderung durchs Örtchen an den 16 jährigen  Dorfhalbstarken vorbeitrotteten.

Zurück zu unseren übereifrigen Sandalenträgern. Nichts ist weniger sexy, als ein Mann in Trekkingsandalen. Nein, das stimmt nicht. Dies kann noch getoppt werden durch einen Mann in Trekkingsandalen mit waden-hochgezogenen schwarzen oder weißen Strümpfen. Strümpfe in einer für mich undefinierbaren Länge, keine Söckchen oder Kniestrümpfe, sondern Mitte-Wade-Strümpfe. Was bitte soll das? Da kann man sich gleich ein Schild umhängen "ich bin ein Volltrottel". Bei Frauen sieht das genauso daneben aus, meist verzichten diese jedoch auf die Strümpfe. Mittlerweile haben es Kniestrümpfe in gewissen Hippsterkreisen wieder zu einigem Ruf gebracht und selbst auf den Mailänder Laufstegen sah man die Models von Dior in Kniestrümpfen mit Pepitamuster rumstaksen. Es kommt alles wieder in der Mode-würde meine Omi Hoppe sagen !

Die Trekkingsandalenträger sind vorzugsweise in grau- safarigrüne Hosen gewandet. Diese sitzen immer schlecht und sind mit mindestens 2 Reißverschlüssen und Seitentaschen am Bein ausgestattet, damit der Träger sich spontan je nach klimatischen Verhältnissen von seiner Hosenlänge trennen kann. Im passenden Farbton zur Hose wird ein Hemd mit vielen Taschen und Laschen getragen. Das Ganze natürlich atmungsaktiv, wasser- und windabweisend, kühlend und wärmend zugleich, insektenverschreckend, tarnend und gleichzeitig reflektierend (falls man im Urwald einem Tiger mit Stirnlampe begegnet). Nur kochen kann diese Garderobe noch nicht, das wird sicher in 10 Jahren möglich sein.

Um es noch schlimmer zu machen, wird oft noch so eine Art Safariehütchen mit Nackensonnenschutz und Kinnbändchen aufgesetzt. Die Männer tragen Gürtel mit angeschnallten Taschen für ihr IPhones, Schweizer-Taschenmesser- so sie mal fix wie Leo di Caprio in „The Revenant“ mit einem Grizzlybären kämpfen müssen- Trinkflasche, Kompass mit Höhenmesser und Taschenlampe. So ausgerüstet begibt man sich, pünktlich vom Hotel abgeholt, auf eine 3 Stundentour durch eine thailändische Tempelanlage ! Der Weg ist flach planiert, überall ist Schatten, es gibt keine Bären, nur Gekkos und Dunkel wird es, wie überall auf unserem Planeten, erst am Abend ! So angezogen sind meist meine Landsleute oder US Amerikaner unterwegs.


Das ganze Gegenteil dieser Spezies sind die Neureichen. Ich nenne sie mal so, weil sie schnell irgendwie zu Geld gekommen sind, es früher nicht hatten und nun allen zeigen müssen, was man dafür so bekommt. Ohne voreingenommen zu sein, sind dies aus meiner Erfahrung oft junge Russen, Japaner oder Koreaner. Die werden auch vom Hotel zur Tempeltour abgeholt. Die Betonung liegt hier wirklich auf Tempeltour, denn es geht nicht zur Hipster Party nach Ibiza.

Die Frau von dieser Welt trägt natürlich High Heels mit mindestens 12 cm Absatz, damit sich das Tempelgelände besser von oben observieren läßt und Hot Pants mit Ausblick vom Po bis zu den Rachenmandeln. Am Ellenbogen bammelt das Überlebensköfferchen von Gucci mit den Dingen, die Frau diesen Kalibers auf Tempeltour unbedingt  braucht: Mascara, Lipgloss und Spiegelchen. Wer braucht schon einen Baedecker! Die Arme sind immer angewinkelt, mindestens eine Fake- Nails bewaffnete Hand zupft in den Extensions, damit alle das von Versace Schmuck umhüllte Handgelenk wahrnehmen können. Mittags am Imbisstand verzieht sich bei 40 Grad im Schatten das Hyaluron- aufgespritze Schmollmündchen, weil es hier tatsächlich keinen eisgekühlten Champagner, sondern nur gegrillte Hühnerfüße gibt. Das dazugehörige männliche Exemplar ist mindestens 20 Jahre älter als sein Weibchen, hat einen Wohlstandsbauch, der unfreiwillig unter dem Lagerfeld  Hemd ohne Sonnenschutz hummerrot offen zur Schau getragen wird und fotografiert immer mit dem Brett vorm Kopf, dem neuesten IPad. Sein Schuhwerk sind Badelatschen mit 3 goldenen Streifen und die Armbanduhr hat die Dimension eines Tischweckers.


Die Obercoolen kommen immer auf den letzten Drücker. Der ganze Minibus wartet bei 35 Grad im Schatten vor dem Guesthouse... nichts passiert. Der Fahrer steigt aus und muß hineingehen. Dann erscheinen sie. Ganz lässig in Flip Flops daherschlürfend, Kopfhörer groß wie Puschel-Winter Ohrwärmer in Knallfarbe auf dem Schädel und mit einem T-Shirt bekleidet, daß mindestens 80 Euro gekostet hat. Damit es jedoch zur zur Schau getragenen Coolness paßt, wurde es mit den Essenresten der letzten 3 Tage vollgekleckert und mindestens der Saum abgeschnitten. Natürlich steigt Gattung Obercool nicht gleich in den Bus ein. Neeeeein, ein Zigarettchen vor der Abfahrt muß schon sein, auch wenn alle anderen schon 20 Minuten warten und im Minibus ihren persönlichen Schmelz- und Siedepunkt bereits überschritten haben. Gibt man seinen Unmut kund, wird das mit einem grinsenden  "Mach dich mal locker" quittiert und Anstand mit Lässigkeit verwechselt.

Diese Reisenden führen außer Beschallungstechnik, Ziggis und ein Knäuel Geldscheine in der verbeulten Hosentasche nichts mit sich. Beim Einsteigen in den Bus kann man sie nicht ansehen, denn sie sind gut getarnt mit megadunkler Sonnenbrille. Wenn denn die Brille mal kurz nach oben geklappt wird, ist der Blick immer latent verächtlich: "pauschale Touren sind ja soooo uncool. Wir wurden quasi genötigt hier mitzumachen. Eigentlich gehören wir nicht hierher...". Das sind die Art Reisenden, die sich 20 Minuten vor Sonnenuntergang ins Surferhöschen kacken, wenn sie noch nicht wissen, wo sie die Nacht schlafen werden. Soooooo uncooool !


Und ich, zu welcher Gattung gehöre ich eigentlich? Bin ich nicht mit meiner Schwester im Norden Thailands in Flip Flops durch den Urwald gerutscht und hab mir sehnlichst meine klobigen grau-braunen Kindertrekkingschuhe zurückgewünscht und alle die beneidet, die  in ihren insektenprotektiven atmungsaktiven Langarmhemden nicht wie ich, von oben bis unten von heimischen Insekten zerstochen wurden ? Und ja, da bin ich eben doch ein bisschen Mädchen, ich schiele nach anderen Frauenhandtaschen, aber Gucci.......nein, nein, niemals, eine Birkin Bag sollte es schon sein ! Im Bus sitzen nur Trekkingsandalenträger mit Strümpfen......, da laß ich meine Sonnenbrille lieber auf, denn mit all denen habe ich so gar nichts gemeinsam........:-)

Ich werde trotzdem berichten !


 
 
 

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"Wenn einer eine Reise tut ..." ich berichte hier von meinen Reisen rund um die Welt. Fühl Dich herzlich eingeladen und erlebe mit mir, was ich da draußen in der Welt erlebe.

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